Rasmus Gerlach begleitete über mehrere Monate die Gruppe der Lampedusa-Flüchtlinge auf St. Pauli mit der Kamera – sein Film zeigt Solidarität und Ablehnung. Fast eineinhalb Jahre ist es nun her, dass Pastor Sieghard Wilm einer Gruppe von 80 Westafrikanern in der St. Pauli Kirche Unterschlupf bot. Mit Booten übers offene Meer vor dem Bürgerkrieg in Libyen nach Lampedusa geflüchtet, in Italien mit Touristenvisa ausgestattet und weitergeschickt, landeten die sogenannten Lampedusa-Flüchtlinge im Juni 2013 in Hamburg. Während niemand so genau wusste, wohin mit den Menschen, die von offizieller Stelle weder geduldet noch versorgt wurden, entwickelte sich im Stadtteil St. Pauli eine besondere Form der Solidarität. Filmemacher zückte seine Kamera und begleitete die Lampedusa-Gruppe. In seinem Film Lampedusa auf St. Pauli zeigt er, wie Nachbarn beim Wäsche waschen helfen, ältere Damen Deutsch unterrichten und Kiez-Türsteher die Kirchentüren bewachen. Bis heute hat die Stadt keine dauerhafte, humane Lösung für die Flüchtlinge gefunden. Mit dem Film liefert Gerlach einmal mehr Argumente dafür, dass Zusammenhalt viel schönere Früchte trägt, als eine es je könnte. Text: Miriam Mentz. 'Lampedusa auf St. Pauli“ heißt der Film des Regisseurs Rasmus Gerlach, der auf dem Hamburger Filmfest uraufgeführt wurde. Seit Mai dieses Jahres hat Gerlach in der St. Pauli-Kirche im gleichnamigen Hamburger Stadtteil gedreht. Zunächst werden Ausschnitte aus dem Film: 'Lampedusa auf St. Pauli' (2014) gezeigt, um nachfolgenden Film inhaltlich einzuleiten: 'Gefahrengebiete &. Bücher über St. Pauli Biografien, Kindheitserinnerungen und kriminelle Geschichten: St. Pauli bietet viel. Zur Seite: Lampedusa auf St. Der Name einer kleinen Insel im Mittelmeer zwischen Afrika und Europa ist zum geflügelten Wort geworden für Flüchtlingsscharen, die der Not und den Bürgerkriegen in Afrika entfliehen wollen und auf kleinen, völlig überfüllten Booten ihre Odyssee in das rettende Europa wagen. Auch in Hamburg halten sich. Lampedusa auf St. PauliDokumentation; Deutschland 2017; Regie: Rasmus Gerlach; 89 Min.2013 strandete eine Gruppe von Lampedusa-Flüchtlingen auf St. Am Telefon meldet er sich schon auf Deutsch. Andreas Listowell kann sich inzwischen gut in der neuen Sprache unterhalten, ebenso in Englisch. Vor einem Jahr im Container an der St. Pauli-Kirche sprach er noch von „working permit“, heute sagt er „Arbeitserlaubnis“. Die hat er jetzt schriftlich: Er darf in Hamburg arbeiten. „Ein ganz großer Schritt nach vorn“ „Ich bin erleichtert“, sagt er beim Gespräch im Cafe Geyer. „Die Arbeitserlaubnis ist für uns ein ganz großer Schritt nach vorn. Wir wollen etwas tun, selber etwas zu unserem Unterhalt beitragen und uns integrieren. Es ist schlimm, wenn man untätig und von der Wohlfahrt abhängig sein muss. Die Arbeitslosigkeit war das, was uns gekillt und depressiv gemacht hat.“ Andreas stammt aus der Stadt Tamale im Norden von Ghana. Ein vierjähriges Marketing-Studium in Accra schloss er mit Diplom ab. Danach war er bei einem Finanzdienstleister und einer Versicherungsgesellschaft tätig. Welche Versicherungen schließen die Leute in Ghana? „Du kannst dein Auto, dein Haus und eine Altersvorsorge versichern, genau wie hier“, sagt Andreas. Ganz so versicherungswild wie die Deutschen sind die Ghanaer allerdings nicht. Der Norden von Ghana ist keine reiche Region, Trockenheit und mangelnde Infrastruktur erschweren die Entwicklung. 2005 brachen Konflikte unter den regional bestimmenden Stämmen aus, die zu einer Massenabwanderung führten. Auch Andreas fühlte sich bedroht. „Ich konnte nicht bleiben“, sagt er. „Freunde erzählten mir, dass man in Libyen eine Perspektive hätte.“ In Tripolis arbeitete er als Assistent der Geschäftsleitung einer italienischen Baufirma. In Hamburg lebte er zuerst auf der Straße. Andreas mit einem Mitbewohner im Container der St. Pauli-Kirche, im Januar Aber der Libyenkrieg 2011 machte einen Strich durch alle Pläne. Andreas wurde ausgeraubt und in ein Auto geworfen, das ihn zu einem Schiff brachte. „Man hat mich gezwungen zu gehen“, sagt er, „ich hatte keine Ahnung, was Lampedusa war und warum wir dorthin sollten.“ Heute ist er froh, dass er – anders als so viele andere Flüchtlinge – die Überfahrt überlebt hat. Nach einer schlimmen Zeit in italienischen Flüchtlingslagern kam er im Februar 2013 mit einem Touristenvisum nach Hamburg und lebte zuerst ein paar Monate auf der Straße, bis er in der St. Pauli-Kirche eine Bleibe fand. „Die beiden Pastoren der St. Pauli-Kirche haben alles für uns getan. Sie haben uns in der Kirche schlafen lassen, uns beraten und unterstützt.“ Die ersten deutschen Worte habe er bei Sieghard Wilm und Martin Paulekun gelernt, bevor er im an der Marktstraße mit Deutschkursen begann. Seit die Wohncontainer an der Kirche im Juni abgebaut wurden, lebt Andreas in Volksdorf, kommt aber regelmäßig zu den Gruppentreffen auf St. Zuerst hatte auch er auf ein Bleiberecht nach Paragraf 23 Aufenthaltsgesetz für die ganze Flüchtlingsgruppe gehofft (der Paragraf ermöglicht es den Bundesländern, ein Bleiberecht aus humanitären Gründen auszusprechen). „Wir wurden auf St. Pauli dauernd von der Polizei kontrolliert“, sagt er. Vor einem Jahr entschlossen sich rund 30 der Flüchtlinge, sich registrieren zu lassen und ein Asylverfahren zu beginnen. Zu ihnen gehörte Andreas. Über diese Verfahrensfrage gab es unter den Flüchtlingen strategische Diskussionen. Hofft nach wie vor auf das humanitäre Bleiberecht., fordern sie, dass ihre in Italien ausgestellten Papiere mit Aufenthaltsrecht in der EU anerkannt werden und sie damit auch eine Arbeitserlaubnis in Hamburg bekommen. „Arbeitsaufnahme mit Zustimmung der Ausländerbehörde“. So sieht sie aus: Rückseite der Aufenthaltsgenehmigung mit dem Vermerk „Arbeitsaufnahme mit Zustimmung der Ausländerbehörde“ „Ich will ein neues Leben beginnen und hier bleiben“, sagt Andreas. Beruflich möchte er an seiner Marketing-Qualifikation anknüpfen. Zur Zeit macht er ein Praktikum bei der Medienagentur Universal McCann in der Innenstadt und befasst sich vor allem mit „Digital Marketing“ (d.h. Nutzung aller Online-Formen wie Websites, Apps, Soziale Netzwerke). „Das gefällt mir, ich lerne viel“, sagt er. Stolz zeigt er mir seine Arbeitserlaubnis, einen schlichten Satz auf der Rückseite seiner Aufenthaltsberechtigung. „Arbeitsaufnahme mit Zustimmung der Ausländerbehörde“, steht da. Einfach ist das Verfahren allerdings nicht: Andreas muss einen Arbeitsplatz finden und speziell dafür noch einen Antrag auf „Arbeitserlaubnis mit Vorrangprüfung“ stellen. Bei der „Vorrangprüfung“ muss festgestellt werden, dass kein Deutscher, EU-Bürger oder anerkannter Flüchtling den Job will (also Vorrang hätte). Die Arbeitserlaubnis ist befristet, kann aber verlängert werden. „Ich habe vorige Woche zunächst drei Monate bekommen“, sagt Andreas. „Diejenigen von uns, die ihre Arbeitserlaubnis ein paar Tage später am 6. November bekommen haben, dürfen sechs Monate arbeiten.“ Da hatte er einfach Pech: Erst, die Asylsuchenden früher als bisher den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert. Allerdings bleibt die Vorrangprüfung bestehen.
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March 2019
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